Im April hat der Vizekanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Sigmar Gabriel, alle SPD-Mitglieder in einem Schreiben über den Neustart in der Energiewende informiert und aufgefordert, sich an der Debatte über diese Zukunftsaufgabe zu beteiligen.

Der SPD Kreisverband Starnberg hat auf Anregung und mit Unterstützung des SPD Ortsvereins Seefeld sich intensiv Gedanken gemacht, was anders laufen muss und wie die Energiewende sinnvoll umgesetzt werden kann. So wurde unter der Federführung von Julia Ney und Ernst Deiringer beschlossen, die wertvollen Ergebnisse der Diskussion dem Vizekanzler in einem Schreiben mitzuteilen.
Die Starnberger Genossen nahmen die Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) unter die Lupe, beteiligten sich an der Strompreisdiskussion und bezogen zur Rentabilität von Windrädern Stellung – ein Thema, das gerade im Starnberger Landkreis für Zündstoff sorgt. Absolut kein Konsens besteht bei dem Thema “Ausbaukorridore – Beschränkung statt Förderung erneuerbarer Energien” – hier geht die Bundesregierung nach Auffassung des Starnberger SPD-Kreisverbands in die falsche Richtung.

Einig ist man sich, dass die Energieerzeugung durch Kohlekraftwerke so schnell wie möglich beendet werden muss, doch “ob dies über einen so komplexen wie auch manipulationsanfälligen Mechanismus wie dem Handel mit Verschmutzungszertifikaten funktioniert, ist höchst fraglich”, so Julia Ney und Ernst Deiringer.

Großen Wert legen die beiden auch auf die Energieeffizienz – ein Punkt, den das neue EEG-Gesetz ganz außer Acht lässt, ebenso wie den volkswirtschaftlichen Aspekt: Die gesamte Wertschöpfung bei der Energieversorgung bleibt im eigenen Land. Arbeitsplätze gehen nicht verloren, sondern werden neu geschaffen.

Der Wortlaut des Schreibens:

Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes

Sehr geehrter Herr Bundesminister für Wirtschaft und Energie,
lieber Sigmar,

bezugnehmend auf Dein Angebot im Mitgliederbrief vom 08.04.2014 zu einer engagierten Debatte zu Eurem Gesetzentwurf für eine grundlegende Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes nehmen wir wie folgt Stellung:

Wir machen uns im Kreisverband große Sorgen um eine erfolgreiche Weiterführung der Energiewende. Schon seit vielen Jahren sind wir auf kommunaler Ebene in der lokalen Agenda21, in den Ortsvereinen, Gemeinderäten und im Kreisrat zu diesem Thema aktiv. In dem jetzt vorgelegten Gesetzentwurf sehen wir keinen Neustart, sondern eher eine Behinderung im Fortschritt hin zur Umstellung auf erneuerbare Energien.

Strompreisdiskussion

Als Erstes muss auf Regierungsebene die unselige Diskussion um die angeblich riesigen Kosten für die Energiewende beendet werden. Sie wird von interessierter Seite mit teilweise unlauteren Argumenten und Halbwahrheiten immer wieder geschürt. Tatsache ist zunächst, dass die Stromkosten für einen durchschnittlichen 4-Personenhaushalt gerade mal 2,5 bis maximal 5% der Lebenshaltungskosten ausmachen. Der Anteil der EEG-Zulage beträgt also derzeit 0,5 bis 1% der Lebenshaltungskosten.
Ein Bedrohungsszenario für mehrere Hunderttausend Arbeitsplätze aufzubauen ist kontraproduktiv. Grundsätzlich sollte klar sein, dass nicht nur Privathaushalte und kleinere Unternehmen die Kosten der Energiewende zu tragen haben, sondern solidarisch die gesamte Gesellschaft. Hier müssen dringend Wege gefunden werden, die Belastungen und die Gewinne gleichmäßig zu verteilen.

Eine weitere Dezentralisierung der regenerativen Stromerzeugung verhindert ebenfalls einen massiven Kostenanstieg, da diese Energien übers ganze Land verteilt zur Verfügung stehen und deshalb weniger riesige Fernleitungen zusätzlich gebaut werden müssen.

Zur Ehrlichkeit bei der Kostendiskussion für die Energiewende gehören außerdem klare Zahlen auf den Tisch, wie hoch die bisherigen und immer noch vorhandenen Subventionen für Erdgas, Kohle und Öl als fossile Energieträger, vor allem aber auch für die Atomenergie über Steuergelder sind.

Rentabilität von Windrädern

Dass sich nach den neuen Regeln überall in Deutschland Windräder lohnen sollen, ist ein frommer Wunsch. Die Realität sieht so aus, dass allein durch die Freigabe der Abstandsregel für die Bundesländer (Seehofer-Klausel 10H) von den etwa 15 Windrädern, die im Landkreis Starnberg nach den extra erstellten Flächennutzungsplänen möglich geworden wären, kein einziges gebaut werden kann. Und wie ist die Definition von „lohnen“ bei den Windrädern gemeint? Unsere Definition: Ein Windrad erzeugt mit einer Laufzeit von 3 Monaten unter Voll-Last die Energie, die zum Bau desselben benötigt wurde. Ob diese Laufzeit in einem oder zwei Jahren erreicht wird, ist nahezu egal. Bei einer garantierten Laufzeit von 15 Jahren produziert die Anlage mindestens 13 Jahre lang Strom, ohne ein einziges Gramm CO2 in die Luft zu pusten! Hier kann man doch wohl von „lohnen“ sprechen. Welches andere Kraftwerk – außer Wasserkraftwerken – leistet Ähnliches?

Ausbaukorridore – Beschränkung statt Förderung erneuerbarer Energien

Die im neu geplanten Gesetz vorgesehenen „verbindliche[n] Ausbaukorridore für erneuerbare Energien“ bedeuten einen Schritt in die absolut falsche Richtung! Genau das Gegenteil muss angestrebt werden: Die Erzeugung erneuerbarer Energien muss so massiv wie möglich vorangetrieben werden. Parallel dazu muss die Entwicklung und der Ausbau der bisher sträflich vernachlässigten Speichertechnologien bestmöglich gefördert werden. Allen Experten, die sich ernsthaft um Fortschritte bei der Erzeugung von Energie aus regenerativen Quellen – vor allem Sonne und Wind – bemüht haben, war von Anfang an klar, dass wegen der nicht kontinuierlich zur Verfügung stehenden Quellen Möglichkeiten zur Zwischenspeicherung unbedingt erforderlich sind. Des Weiteren ist die Entwicklung intelligenter Netze (Smart Grid) massiv zu fördern, anstatt weitere riesige Stromautobahnen zu planen und zu bauen.

Zu empfehlen ist dringend die Lektüre der letzten beiden Berichte des IPCC vom Herbst 2013 und März 2014. Hier wird ganz unmissverständlich aufgezeigt, dass eine massive und schnelle Reduktion des CO2-Ausstoßes in die Atmosphäre unumgänglich ist. Nur so können weltweit die Folgeschäden des Klimawandels gemildert und eine weitere Kostenexplosion für Vorsorgemaßnahmen verhindert werden.

Beendigung der Kohleverstromung

Damit kommen wir direkt zum letzten Punkt, der geplanten Reform des Emissionshandels mit CO2-Verschmutzungsrechten. Richtig ist, dass die Energieerzeugung über Kohlekraftwerke so bald wie möglich beendet werden muss. Ob dies über einen so komplexen wie auch manipulationsanfälligen Mechanismus wie dem Handel mit Verschmutzungszertifikaten funktioniert, ist höchst fraglich. Die Erfahrungen aus den vergangenen Jahren lassen wenig Hoffnung aufkommen. In den Jahren 2012 und 2013 wurde in Deutschland mehr Strom aus Kohle erzeugt als in den vergangenen Jahren. Nach den Daten der AG Energiebilanzen stieg die Braunkohleverstromung in Deutschland mit 162 Mrd. kWh (2013) auf den höchsten Stand seit 1990. Aus unserer Sicht hilft hier am besten eine nationale Gesetzgebung wie bei den Atomkraftwerken: ein genau definierter schrittweiser Ausstieg aus der
Kohleenergie.

Energieeffizienz

Ein außerordentlich wichtiger Faktor fehlt noch komplett bei diesem „Neustart der Energiewende“: die Energieeffizienz. Seit vielen Jahren gibt es eine große Zahl fundierter Vorschläge zu diesem Thema. Sie gelten übergreifend für alle Energieformen wie Strom, Wärme, Kälte sowie Mobilität. Ohne Einbußen von Lebensqualität sind 30 bis 50% Einsparung möglich. Hier muss von staatlicher Seite ein eigenes Programm aufgelegt und gefördert werden, um wirkliche Fortschritte zu erzielen. Die klimaschonendste Energie ist die erst gar nicht benötigte.

Unabhängigkeit und Wertschöpfung

Anhand der Erfahrungen mit den internationalen Entwicklungen der letzten Jahre und insbesondere wieder der letzten Monate kann es nur einen Weg geben: Schrittweise unabhängig zu werden von den Energielieferungen anderer Länder. Dies ist durch eine Umstellung auf eine dezentralisierte Erzeugung von Energie aus regenerativen Quellen möglich. Ganz wichtig ist dabei auch der volkswirtschaftliche Aspekt: Die gesamte Wertschöpfung bei der Energieversorgung bleibt im eigenen Land. Arbeitsplätze gehen nicht verloren sondern werden neu geschaffen.

Für den SPD-Kreisverband Starnberg: Julia Ney, Kreisvorsitzende
Für den SPD-Ortsverein Seefeld: Ernst Deiringer

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